Menschenaffen: Uns nicht nur genetisch ähnlich









© Norbert Manthey

Neue und nicht so neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die als Resultat langjähriger Feldstudien erworben wurden, belegen das für viele Unfassbare, dass Menschenaffen ausgesprochene menschliche Züge zeigen. Sie können wie wir dankbar, großzügig, aber auch fremdenfeindlich, berechend, herzlos und rachsüchtig sein.

Immer mehr Beweise stellen fest, dass Menschenaffen über die Zukunft und die Vergangenheit rationalisieren können, etwas, was man traditionell nur uns Menschen zugesprochen wurde.

Schimpansen sind zudem fremdenfeindliche Kreaturen, die gewalttätig auf Nachbargruppen reagieren. So Jane Goodall, die zweifellose Welt-Expertin über unsere engsten Verwandte. "Es war ein totaler Schock für mich zu entdecken, dass Schimpansen so wie wir, auch eine dunkle Seite besitzen, und dass sie sich auch überbringen können, grausame Akten durchzuziehen, die fast immer gegen Mitglieder einer verfeindeten Gruppe gerichtet sind“. Es gibt sogar Patrouillen, die ihr Gebiet gründlich und regelmäßig durchstreifen. Wenn sie auf vereinzelte fremde Schimpansen während ihrer Streifzüge antreffen, können sie diese angreifen und sogar umbringen.

Laut Goodall sind Schimpansen zu vieles mehr imstande: Sie können rationell denken, Gefühle beherbergen und sogar lang anhaltende familiäre Beziehungen aufbauen, die bis zu 60 Jahre halten können.

Der Ethologe Christophen Boersch, Direktor der Primatenabteilung des Max Planck Instituts in Leipzig, hat daran keine Zweifel. Vor fünf Jahren begleitete er den BBC-Moderator David Attenborough bei einer Kongoexpedition, um die Jagdstrategien der Schimpansen zu dokumentieren. Was die Filmaufnahmen zeigen hat mehr als einen Skeptiker von seiner Überzeugung abgebracht, Affen seien nur irrationelle Tiere. Fünf Schimpansen streifen durch den Waldboden. Es ist eine durchaus organisierte Gruppe: Es gibt einen Führer, aber auch Treiber und Fänger mit ganz spezifischen Aufgaben. Ihr Ziel: Eine Gruppe von Colobusaffen, die oben auf der Baumkrone in 30 m Höhe Zuflucht gefunden hat. Als die Jagd losgeht, werden die Kleinaffen vom Schimpansenführer zur Flucht getrieben. Zwei Schimpansen blockieren dann ein paar Colobusaffen den Weg und zwingen sie, in eine bestimmte Richtung zu fliehen, wo sie von den Fängern gefangen und getötet werden. Das erbeutete Fleisch wird zwischen den Jägern gerecht geteilt.

Weibchen nehmen an diesen Streifzügen nicht teil, sie können sich aber ihren Anteil Fleisch gegen Sex erkaufen. „Schimpansenweibchen paaren sich ausschließlich während der Brunftzeit. Aber sie werden sich viel öfters mit dem Männchen paaren, das ihnen Fleisch regelmäßig liefert, auch wenn Schimpansen nicht monogam sind“ sagt die Anthropologin Cristina Gomes. Bis zwanzigmal wird ein Schimpansenmännchen Geschlechtsverkehr mit dem Weibchen haben, mit dem es diese symbiotische Beziehung aufrechterhält. Durchschnittlich hat er mit einem anderen Weibchen in der Gruppe nur zweimal Erfolg.

“Es handelt sich offensichtlich um einen langfristigen Austausch. Er teilt mit ihr das Fleisch, auch wenn sie nicht jetzt geschlechtverkehrbereit sind. Und sie wird sich mit ihm in zwei Monaten paaren. Es ist fast so wie in einer Liebesbeziehung“, so Gomes. Die Schlussfolgerung für Boersch liegt auf der Hand: „Unsere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Schimpansen über die Zukunft und die Vergangenheit nachdenken können und ihr gegenwärtiges Verhalten dementsprechend anpassen“.

Für den Waal, der einen Aufsatz aufgrund des zweihundertjährigen Jubileums der Geburt von Charles Darwin geschrieben hat, ist eines klar: “Wir benutzen Handys und fliegen mit Flugzeugen aber unsere psychologische Grundlage bleibt noch die eines Primaten”.

Die Lehrfähigkeiten und die hohe Intelligenz von Gorillas gelten schon lange als unbestrittener Fakt. Es wurde sogar geschafft, einem Gorilla 1000 Vokabeln aus der amerikanischen Zeichensprache beizubringen. Koko, der möglicherweise weltweit bekannteste Gorilla nach Kingkong, konnte vor ein paar Jahren seinen behandelnden Arzt so mitteilen, dass er unter Zahnschmerzen litt.

Das Erlernen von Kenntnissen basierend auf Beobachtung und Nachahmung ist unter Primaten auch weit verbreitet. Dass Schimpansen Werkzeuge anfertigen können ist eine alt bekannte Wahrheit. In Senegal spitzen sogar Weibchen Speere, um Kleintiere in ihren Schlafhöhlen einzustechen. Die dafür verwendete Technik unterscheidet sich aber von Gruppe zu Gruppe je nach geografischer Lage sehr stark. In anderen Worten: Schimpansengruppen haben auch eine eigene Kultur entwickelt. Ob kleine Holzpinsel, um Termite zu fangen oder Werkzeuge, um Nüsse zu knacken: „Es ist diese Vielfältigkeit, was mich so fasziniert“, sagt Goodall. „Entsetzlich ist aber zu denken, was wir alles nie in Erfahrung bringen werden, weil die afrikanische Schimpansenpopulation aufgrund der rapiden Waldrodung und der Überbevölkerung des Kontinents so schnell verschwindet“. Als die Wissenschaftlerin ihre Studien 1960 aufgenommen hat, wurde die Population von Schimpansen auf ca. zwei Millionen Exemplare geschätzt. „Heute gibt es nur 300.000“.

„Für mich sind Menschenaffen keine Menschenart, da wir auch Menschenaffen sind“ sagt sie zusammenfassend. „Wir kennen jetzt die Ähnlichkeiten zwischen unseren beiden Arten viel besser. Jeglicher Unterschied zwischen uns ist meines Erachtens immer relativ“.

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