Jambo Tansania! Zweiter Teil


Die Gnuwanderung oder die fast schmerzbereitende Schönheit Ostafrikas








Ein
prächtiger Anblick, der jeden zum Staunen bringt. Tausende, abertausende Gnus ziehen vorbei, bleiben stehen, Staub wirbelt auf, Geräusche überall. Eine tierische Kulisse voller Leben, Anmut und archaischer Kraft und Ausdauer. Dazwischen rivalisierende Zebrabullen, sich beißend, kämpfend oder einfach nur anwesend. Eine Szenerie von urwüchsiger Gestalt, so alt wie die Geschichte der Menschheitsgeschichte. Afrika pur und ohne doppelten Boden. Nur unser Jeep, Godlisten, unser Guide und wir. Das Abenteuer kann beginnen. Jetzt heißt es endlich Ausschau halten nach den Big Five: Löwe, Nashorn, Elefant, Büffel und Leopard.








I
n der Serengeti-Massai-Mara-Region kann man Zeuge eines der größten Naturschauspiele dieser Erde werden. Dabei handelt es sich um eine gigantische Tierwanderung, die sogenannte Migration. Ein natürliches Phänomen, welches einzigartig ist auf unserem blauen Planeten. Auf ihrer großen Wanderung legen die Tiere etwa 1000 km zurück. In keiner Region dieser Erde gehen Millionen von Tieren ungehindert durch Mensch, Zaun und Zivilisation auf einen solchen Treck, dessen Triebfeder frisches Grasland ist. Getrieben vom Zyklus der Niederschläge und vom Aufkeimen frischen Grases, durchstreifen etwa 1,3 Millionen Gnus, 300.000 Thomson-Gazellen und rund 200.000 Zebras die weiten Savannen der tansanischen Serengeti auf dem Weg zu den Gebieten der Masai Mara im kenianischen Nachbarland. Die Serengeti ist der größte und bekannteste Nationalpark Tansanias. 1981 zum Weltnaturerbe erklärt, wurde dieser Teil der Erde insbesondere durch Bernhard Grzimeks Film „Serengeti darf nicht sterben“ ins Licht der Öffentlichkeit projiziert. Wer einmal diese Tier-Migration hautnah mit eigenen Augen, mit Leib und Seele und allen Sinnen erfahren durfte, wird dieses ungeheure, imposante Erlebnis wohl nie mehr vergessen. Scheinbar bis zum Horizont traben die Tierherden insbesondere durch den Western Corridor der Serengeti gen Norden. Dabei müssen Sie beispielweise den Grumeti-River überwinden. Eine Flussquerung auf Leben und Tod. An den wenigen Furten, die ein Erreichen des anderen Ufers ermöglichen, lauert die Gefahr in Gestalt von hungrigen Krokodilen ganz besonders. So versuchen die zahllosen Tiere in ihrer Not und Panik, das tosende und weißschäumende Gewässer schnellstmöglich hinter sich zu lassen. Was den meisten auch gelingt. Der weitere Weg führt die Tiere nach Norden Richtung Massai-Mara-Nationalpark. Dabei durchqueren Gnus, Zebras und Gazellen die Grumeti und Ikorongo Game Controlled Areas, um etwa Ende August oder Anfang September kenianisches Gebiet zu erreichen. Erst im Oktober zieht es die Herden wieder nach Süden in die Serengeti, wobei ein weiteres, nicht ganz ungefährliches Hindernis auf sie wartet, der Mara-Fluss.

Hier in Tansania beziehungsweise in Ostafrika kommt hauptsächlich das Weißbartgnu vor, das die Baum- und Grassavannen bevölkert und im Ökosystem Serengeti zahlenmäßig den ersten Rang belegt. Die ausdauernden Gnus gehören zu den afrikanischen Antilopen und sind ausgesprochene Herdentiere. Deutlich geringer ist die Zahl der Steppenzebras und der Thomson-Gazellen. Steppenzebras verbringen ihr Leben in Gruppen, dazu zählen ein Leithengst, meist mehrere Stuten und natürlich deren Nachwuchs.

In gebührenden Abstand verfolgen Löwen und Hyänen die tierische Wanderung. Schwache oder junge Tiere, die sich von der Herde absondern oder getrennt werden, sind ein gefundenes Fressen für die abwartenden Raubtiere

Text von Thilo Scheu, Bilder von Alfonso Gutierrez

Die Serengeti: Dort, wo sich der Kreis der Natur schließt








Ich kann es kaum fassen. Ich bin in der Serengeti un
d ein Gepard-Weibchen mit ihren fünf halberwachsenen Kindern schaut hungrig in die Richtung eines Riedbocksjungen zu, das seine Mutter im hohen Gras des Sumpfs versteckt hält. Plötzlich stellt sich die ganze Gepardfamilie in Bewegung. Die Mutter führt seine genauso hungrigen Jungen durch die Marsch. Wir starten nochmals den Wagen und fahren diese hinterher. Auf dem matschigen Boden wirken die Schritte der stolzen Katzen leicht unbeholfen. Aber auch wenn die Geparde ihre Rennfähigkeiten auf dem sumpfigen Gelände nicht entfalten können, haben sie eine andere Strategie entwickelt, um Beute zu machen. „Sie bereiten einen Hinterhalt vor“, warnt Raphael. Die Riedbockmutter ahnt die Gefahr und ruft ihr Jung, aber es ist zu spät. Bereits haben die halberwachsenen Geparde die kleine Antilope erwischt. Das Gepardweibchen lässt ihre Jungen mit ihrer Beute spielerisch umgehen, bis sie diese endlich töten. Die verzweifelten Rufe der Riedbockmutter im Hintergrund lassen uns Gänsehaut wachsen. Aber dann geschieht das Unglaubliche: Eine heran gepirschte gestreifte Hyäne macht den Geparden ihre Beute streitig und gewinnt den Kampf! Der körperlichen Größe der Allesfresserin können die Geparde nichts anhaben, auch wenn die Katzen kopfzahlreicher sind. Mit gesunkenen Köpfen müssen sich die Geparde zurückziehen und woanders nach Beute suchen.








Am folgenden Morgen wollen wir zum Tatort wieder zurückkehren. Auf unserem Weg dorthin werden wir jedoch von einem Löwenrudel nah des Sumpfgebietes unerwartet aufgehalten. Sie sind am Pistenrand, zehn, fünfzehn Meter von uns entfernt. Es sind mindestens zwölf erwachsene Löwen mit ihren Jungen. Sie beugen allesamt ihre mit Blut geschmierten Köpfe vor einem noch frischen Gnukadaver, der mit zerrissenem Unterleib auf dem Boden l
iegt, und verschlingen seine weichen Körperteile. Das grausame Spektakel hält uns stundenlang wie gefesselt. Während einige Fahrzeuge, beladen mit fotohungrigen Touristen, ab und zu auftauchen und nach ein paar Minuten wieder schnell verschwinden, dürfen wir die unglaubliche Szene für ca. drei Stunden komplett ungestört beobachten. Wieder bin ich unheimlich froh, dass wir den geduldigen Raphael als Reiseleiter haben. Langsam pirschen sich die ersten Geier heran, um ans Festessen teilzuhaben. Auch uns packt langsam der Hunger und wir beschließen, zurück ins Camp für ein spätes Mittagessen zu fahren. Nachmittags wollen wir unbedingt zurückkommen. Als wir es tun, haben sich die Löwen mit dem Rest ihrer Beute etwas abseits der Piste zurückgezogen. Ein paar schwebende Geier am gegenüberliegenden Flussufer lenken uns ab. Es scheint, dass ein weiterer Kadaver ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Wir folgen die Geier und werden von einer weiteren Überraschung aufgehalten. Sitzend auf einem Termitenhügel ruhen die Mietglieder der Gerparden-Familie, die wir gestern unweit von hier beobachtet haben. Die Blutspuren auf ihren Gesichtern deuten auf eine erfolgreiche Jagd hin. Der Kreis des Lebens und Tods in der Serengeti hat sich diesmal zu ihren Gunsten geschlossen.


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